„Das Ausgeblendete überwindet die brüchig gewordenen
Mauern des Bewusstseins und drängt das Ich des Menschen
in sein dissoziiertes Niemandsland.“
In einer als sehr bedrohlich erlebten Situation stehen uns Menschen drei instinktive Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Sie sind im Stammhirn und Teilen des limbischen Systems als Überlebensstrategien verankert und wirken unter Ausschaltung des rationalen Denkens. Wir können standhalten und unter Umständen kämpfen, wir können aber auch flüchten oder uns tot stellen. Das Trauma entsteht aus einer dritten Reaktionsmöglichkeit: Wenn wir erkennen, dass weder kämpfen noch flüchten aussichtsreich wäre, wird die im Stress aktivierte Energie nach innen gerichtet – und im Schock wie ein-gefroren. Dieses Einfrieren von Energie im Organismus ist gemeint mit „Trauma als einer unvollständigen Antwort, oder steckengebliebener Überlebensreaktion“. Die zum Überleben aktivierte Energie kann nicht ausagiert werden, bleibt im Organismus latent wirksam und belastet auf allen Ebenen. Damit einhergehende Symptome sind Dissoziation, Konsistenzverlust, Schreckstarre, Emotionalisierung, Beziehungsverlust und erhöhte Erregungsbereitschaft, resp. starke Unruhe. Interessanterweise finden wir all diese Symptome auch bei Menschen mit Demenz.
Biologisch gesehen ist der „Totstell-Reflex“ eine durchaus sinnvolle Einrichtung. Er hat primär die Aufgabe, Schmerz zu reduzieren und im Extremfall das Sterben zu erleichtern. In der Dissoziation entwickelt das Gehirn in verstärktem Maße Endorphine. Diese bewirken eine Trennung des Bewusstseins von den körperlichen Empfindungen. Wir erleben dann unseren Körper nicht und damit auch keinen Schmerz.
Der Mensch verlässt dann gewissermaßen seinen Körper, er schwebt möglicherweise wie darüber und schaut auf das Unvorstellbare, als würde es ihn selbst nicht betreffen und als geschähe dies an einem anderen.
Ein Teil der Persönlichkeit möchte das Entsetzliche unzerstört überdauern und nutzt die Möglichkeit, in eine innere Emigration gehen zu können.
Der zu zahlende Preis dieses Überlebens- Modus ist eine Unterbrechung der integrierten Funktionen des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Wahrnehmung der Umgebung (wobei der eigene Körper als Außenwelt erfahren wird), der Identität.
Das ist mit Konsistenzverlust gemeint.
Konsistenz bezeichnet die Stabilität der gleichzeitig ablaufenden psychischen Prozesse im Gehirn. Die Synchronizität, also die Resonanz zwischen unterschiedlichen Teilen des Gehirns wird nachhaltig gestört. Diese Unterbrechung kann so weit gehen, dass man auf Dauer das schlimme Erlebnis aus dem Gedächtnis streichen muss, weil die Erinnerung zu bedrohlich ist. Im normalen Bewusstsein wird dies dann weder erinnert noch weiß man, wo man innerlich in der Dissoziation war.
Ist dieser Fluchtweg in die innere Emigration erst einmal gebahnt, bleibt er als bewährter Überlebensmechanismus Mittel der Wahl zur Konfliktbewältigung, unter Umständen ein Leben lang.
Der Mensch hat erfahren, dass es in einer Bedrohung eine Möglichkeit gibt, sich gut zu fühlen und zu überleben – in der Dissoziation, dem inneren Ausstieg.
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